Die nationale Umsetzung des Abfallendes in § 5 Abs 1 AWG steht schon seit langem in der Diskussion und Kritik. Die Lehre vertritt dazu die Ansicht, die österreichische Verwaltungspraxis sei – auch in Bezug auf Bodenaushub – zu restriktiv. Nach der Verwaltungspraxis, wie auch der Rechtsansicht des VwGH, könne das Abfallende für Bodenaushub erst durch die unmittelbare Verwendung zur Substitution eines ansonsten zu verwendenden Rohstoffes eintreten, die Vorbereitung zur Wiederverwendung reiche nicht aus. Hingegen sehe die europäische Vorgabe des Art 6 Abs 1 RL 2008/98/EG das Abfallende – auch für Bodenaushub – bereits mit dem Abschluss jeglichen Verwertungsverfahrens – so auch der Vorbereitung zur Wiederverwendung – vor.
Als der EuGH in der Rs Sappi die Unionsrechtswidrigkeit der nationalen Umsetzung des Abfallendes anklingen ließ, wurden erste Stimmen laut, die in dieser Entscheidung ein Abfallende bereits vor der tatsächlichen zulässigen Verwendung und unabhängig davon, ob eine Abfallende-VO vorliege, erkannten.
Im Lichte der Entscheidung in der Rs Sappi konnte man durchaus gespannt nach Luxemburg blicken und das Urteil des EuGH in der Rs Porr erwarten. Bereits die Schlussanträge der Generalanwältin Medina ließen hoffen, dass eine Kehrtwende im österreichischen Abfallrecht eingeläutet wird. In ihrem Beitrag in der Recht der Umwelt nehmen unser Partner Mag. Mario Walcher, LL.M. und Mag. Marco Wallner eine erste Analyse vor, ob der EuGH die an ihn gestellten Erwartungen erfüllen konnte und ob mit der gegenständlichen Entscheidung das Abfallende nach österreichischer Art tatsächlich eine Veränderung erfährt.
Eine der wesentlichsten und gleichzeitig am wenigsten erwarteten Aussagen des EuGH, der die Autoren nachgehen, ist die Einordnung von Bodenaushub als Nebenprodukt. Ebendie schloss der VwGH nämlich in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 (Ra 2016/05/0012) nämlich aus. Soweit der Bodenaushub die Anforderungen des Art. 5 Abs 1 RL 2008/98/EG erfüllt, lässt der EuGH hingegen die Qualifikation von Bodenaushub als Nebenprodukt zu.
Zudem stellt der EuGH klar, dass Bodenaushubmaterial unter den Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 RL 2008/98/EG das Abfallende erreichen kann, dies noch bevor dieses Material unmittelbar zur Substitution eines anderen Rohstoffes verwendet wird. Demnach lässt der EuGH das Abfallende früher eintreten, als dies nach der nationalen Umsetzungsnorm des § 5 Abs 1 AWG der Fall ist. Zudem erachtet der EuGH die bloße Prüfung von Bodenaushubmaterial als ein Verfahren der „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ im Sinne von Art 3 Nr 16 RL 2008/98/EG. Solcherart könne bei Abfällen, die einer solchen Vorbereitung zur Wiederverwendung unterzogen wurden, angenommen werden, dass sie ein Verwertungsverfahren im Sinne von Art 6 Abs 1 RL 2008/98/EG durchlaufen haben, sofern die weitere Wiederverwendung keine weitere Vorbehandlung erfordere. Bloße Formalkriterien ohne Umweltrelevanz könnten dem Abfallende hingegen nicht entgegenstehen.
Sowohl die Möglichkeit, dass Bodenaushub ein Nebenprodukt darstellen könne als auch die Ansicht, dass die bloße Sichtung von (Aushub-)Material ein Verfahren zur Vorbereitung zur Wiederverwendung gem Art 3 Nr 16 RL 2008/98/EG und damit ein Verwertungsverfahren iSd Art 6 Abs 1 RL 2008/98/EG darstellen könne, stehen diametral zu den bisher vom VwGH zu diesen Themenbereichen ergangenen Entscheidungen. Damit bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung des EuGH in der Rs Porr dazu beiträgt, Bodenaushubmaterial von hoher Qualitätsklasse nicht auf Deponien zu entsorgen und damit der Gefahr der Verunreinigung auszusetzen, sondern für Bodenregulierungen und Agrarstrukturverbesserungen zu verwenden. Nur so kann der Abfallhierarchie bestens entsprochen werden.
Quellen & Links