Novelle des Stmk BauG, LGBl 73/2023

  • Recht
Aug. 2023

Das Stmk BauG unterlag seit dessen Inkrafttreten im Jahr 1995 regelmäßig Novellierungen. Alleine seit dem Jahr 2020 unterzog der Gesetzgeber das Stmk BauG insgesamt 6 Novellen mit teils beachtlichem Umfang. Mit der jüngsten Novelle LGBl 73/2023 führte der Gesetzgeber eine neue Ausnahme vom Anwendungsbereich des Stmk BauG für elektrizitätsrechtlich zu genehmigende Anlagen ein, um die bisherige doppelte Bewilligungspflicht zu beseitigen. Ferner normierte er eine gesetzliche Grenze für die Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen aus Tierhaltungsbetrieben und versuchte einige Auslegungsschwierigkeiten der vorhergehenden Novellen des Stmk BauG zu bereinigen. Nachstehend stellen unser Partner Mag. Mario Walcher, LL.M., Mag. Angelika Flachhuber und Mag. Marco Wallner einige für die Praxis bedeutende Änderungen der jüngsten Novelle dar.

1. Ausnahme für Photovoltaikanlagen, die nach den elektrizitätsrechtlichen Vorschriften einer Genehmigung bedürfen

Nach dem Kumulationsprinzip kann für eine Anlage nach mehreren Materiengesetzen eine gesonderte Bewilligung notwendig sein (VwGH 01.04.2008,          VwGH 2004/06/0104). Gerade im Bereich von PV-Anlagen war und ist nach den jeweiligen Rechtsordnungen der einzelnen Bundesländer vielfach eine Bewilligung sowohl nach dem Elektrizitätsrecht als auch nach dem Baurecht erforderlich. Auch weitere Bewilligungen, wie zB nach dem Naturschutzrecht, könnten im Einzelfall erforderlich sein (siehe als Überblick Laußermair, Voraussetzungen für die Errichtung von Photovoltaikanlagen im Baurecht und im Elektrizitätsrecht, RFG 2014, 185).

Mit der jüngsten Novelle des Stmk BauG beseitigte der Gesetzgeber die Doppelgleisigkeit zwischen baurechtlicher und elektrizitätsrechtlicher Bewilligungspflicht. Gem § 3 Z 7a Stmk BauG sind Photovoltaikanlagen, die nach den elektrizitätsrechtlichen Vorschriften einer Genehmigung bedürfen, vom Anwendungsbereich des Stmk BauG ausgenommen. Die elektrizitätsrechtliche Genehmigungspflicht ergibt sich aus § 5 Steiermärkisches Elektrizitätswirtschafts und -organisationsgesetz 2005. Gleichsam mit der Novelle LGBl 73/2023 unterstellte der Gesetzgeber Photovoltaikanlagen mit einer installierten elektrischen Engpassleistung ab 1 000 kWp grundsätzlich der elektrizitätsrechtlichen Genehmigungspflicht.

In Hinkunft wird daher für die Errichtung von Photovoltaikanlagen nur noch eine Bewilligung entweder nach dem Stmk BauG (Anlagen kleiner 1 000 kWp) oder nach dem Elektrizitätsrecht (Anlagen größer 1 000 kWp) erforderlich sein. Daneben könnten aber weitere Bewilligungspflichten nach anderen Materiengesetzen, wie zB dem Stmk NSchG, bestehen.

2. Erleichterungen für Lageverschiebungen im Rahmen der Bauausführung

In jüngerer Zeit werden die Baubehörden vermehrt mit Lageabweichungen von Gebäuden gegenüber den erteilten Baubewilligungen beschäftigt. Gerade bei Altbeständen, die bereits zu Beginn oder Mitte des vergangenen Jahrhunderts erbaut worden sind, zeigen sich häufig derartige Lageabweichungen. Nach der Rsp des VwGH führt eine Lageabweichung – je nach Ausmaß – im schlimmsten Fall zum Vorliegen eines sogenannten „aliuds“. Vor allem dann, wenn durch eine solche Lageverschiebung die gesetzlichen Mindestabstände zu Nachbargrenzen oder Nachbargebäuden unterschritten werden, legt der VwGH einen strengen Maßstab an und geht von einem „aliud“ aus (VwGH, 29.04.2015, 2013/05/0025).

Der Gesetzgeber hat diese Problematik nun zum Anlass genommen, sowohl für Altbestände (bauliche Anlagen, die vor dem 01.09.1995 errichtet wurden) als auch für jüngere bauliche Anlagen (Errichtungszeitpunkt nach dem 31.08.1995) eine Erleichterung vorzusehen.

Für Altbestände, die überhaupt vor dem 01.01.1969 errichtet wurden, ist die Situation insofern entschärft, als diese gem § 40 Abs 1 Stmk BauG ohne weitere Voraussetzung als rechtmäßig gelten, auch wenn sie einer allenfalls vorliegenden Baubewilligung widersprechen. Für bauliche Anlagen, die zwischen dem 01.01.1969 und 31.08.1995 errichtet wurden, ist gem § 40 Abs 2 und 3 Stmk BauG im Rahmen eines Feststellungsverfahren zu prüfen, ob diese im Zeitpunkt der Errichtung bewilligungsfähig waren. Dabei ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung anzuwenden. Mit der jüngsten Novelle sah der Gesetzgeber für diese Verfahren die Erleichterung vor, dass der Grenzabstand (nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung) als eingehalten gilt, wenn eine allfällige Abweichung innerhalb der Messtoleranz der Vermessungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Fassung liegt.

Für bauliche Anlagen, die nach dem 31.08.1995 errichtet wurden, für die also ein Feststellungsverfahren zur Feststellung des rechtmäßigen Bestandes nicht in Betracht kommt, gilt gem § 13 Abs 2 Stmk BauG, dass der genehmigte Grenzabstand als eingehalten gilt, wenn eine allfällige Abweichung innerhalb der Messtoleranz der Vermessungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung geltenden Fassung liegt. Wenn daher die Einhaltung des bewilligten Abstandes im Rahmen eines baupolizeilichen Verfahrens geprüft würde, würde der genehmigte Abstand auch dann als eingehalten gelten, wenn zwar eine Abweichung zur erteilten Bewilligung festgestellt wird, diese aber innerhalb der Messtoleranz der Vermessungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung geltenden Fassung liegt.

Derzeit liegen die Toleranzen gem § 6 Abs 2 der Vermessungsverordnung 2016 bei 5cm. Damit sieht der Gesetzgeber eine aus unserer Sicht zu begrüßende Erleichterung vor. Gerade bei Altbeständen wird der Gesetzgeber aber aus unserer Sicht allenfalls noch nachzuschärfen haben. Dabei ist zu bedenken, dass es sich bei derartigen Problemfällen in der Regel um jahrelang unbeanstandet gebliebene Bauwerke handelt, die aufgrund anonymer Anzeigen näher geprüft werden (müssen). Der Gesetzgeber wird zu entscheiden haben, ob die jahrelang nicht beanstandeten Gebäude nach Ablauf eines gewissen Zeitraums – ähnlich den Verjährungsfristen im Zivilrecht – Bestand haben dürfen (eine allfällige Konsenswidrigkeit daher gewissermaßen „verjährt“), oder aber (auch anonyme) baupolizeiliche Eingaben genügen sollen, um derartige Altbestände der Gefahr eines Beseitigungsauftrages auszusetzen.

3. Vorlage des urkundlichen Nachweises der zivilrechtlich anerkannten Grenzen

Bereits mit der Novelle LGBl 45/2022 führte der Gesetzgeber die Bestimmung des § 22 Abs 2 Z 3a Stmk BauG ein, nach der dem Bauansuchen der urkundliche Nachweis hinsichtlich der Übereinstimmung der in den Projektunterlagen dargestellten Grenzen mit den zivilrechtlich anerkannten Grenzen bei Neu- und Zubauten beizulegen ist, sofern der Bauplatz nicht im Grenzkataster eingetragen ist. Nach der damals eingeführten Fassung waren die Grundstücksgrenzen und die Bauplatzgrenzen in der Natur zu kennzeichnen sowie die Lage des geplanten Gebäudes darzustellen. Die sich dadurch ergebende Bauplatzfläche war der Dichteberechnung zu Grunde zu legen. Voraussetzung für die Bauverhandlung war die Kennzeichnung der Bauplatzgrenzen in der Natur.

Mit der Novelle LGBl 73/2023 änderte der Gesetzgeber diese Bestimmung insofern ab als diese Vorlagepflicht nicht für Bauführungen im Freiland – ausgenommen Auffüllungsgebiete gem § 33 Abs. 3 Z 2 StROG – gilt, sofern der Grenzabstand zu den nächstgelegenen Nachbargrenzen laut Lageplan mehr als 10 Meter beträgt. Die geforderte Kennzeichnung der Bauplatzgrenzen in der Natur als Voraussetzung für die Abhaltung der Bauverhandlung ergänzte er im Falle von geplanten Neu- und Zubauten um die Kennzeichnung auch der Lage von Gebäuden und verschob diese Anordnung – systematisch zutreffend – in die Bestimmung über die Kundmachung und Ladung zur Bauverhandlungen, nämlich nach § 25 Abs 2a Stmk BauG.

Der urkundliche Nachweis für Grundstücke, die nicht im Grenzkataster sind, kann nach den Materialien auf folgende Arten erbracht werden (AB EZ 3198/4 StLT 18. GP 6):

  • Vermessungsplan samt Protokoll gem § 13 Abs 1 VermessungsVO 2016 (Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer) – Voraussetzung ist demnach die Durchführung einer Grenzverhandlung durch einen hiezu Befugten (Befugnis ergibt sich aus § 1 LiegTeilG) und Einvernehmen mit den Nachbarn über den Grenzverlauf;
  • In Fällen, in denen zwar keine Zustimmung aller erforderlichen Nachbarn vorliegt, allerdings durch die Bauführung weder die Abstandsregelungen noch die höchstzulässige Bebauungsdichte tangiert werden, wird eine Beurteilung als Vorfrage empfohlen, um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden;

Ob diese Vorgehensweise praxistauglich ist, oder zahlreiche Bauverfahren aufgrund erforderlicher Grenzverhandlungen in Hinkunft deutlich verzögert werden, wird sich zeigen.

Ferner verpflichtet(e) § 38 Abs 2 Z 6 Stmk BauG idF LGBl 45/2022 Bauwerber zur Vorlage eines von einem befugten Vermesser erstellten Vermessungsplans über die genaue Lage der baulichen Anlage. Diese Vorlage entfällt, wenn sich der Bauherr verpflichtet, die auf ihn entfallenden anteiligen Kosten einer von der Gemeinde durchgeführten oder veranlassten Vermessung aller in einem bestimmten Zeitraum errichteten baulichen Anlagen zu übernehmen.

Mit der Novelle LGBl 73/2023 verschob der Gesetzgeber diese Bestimmung in einen eigenständigen Absatz, nämlich den Absatz 2a. Damit wollte der Gesetzgeber – so die Materialien (AB EZ 3198/4 StLT 18. GP 7) – klarstellen, dass mit dieser Vorlagepflicht nicht der Baubehörde die Pflicht auferlegt werden sollte, die lagemäßige Übereinstimmung des errichteten Vorhabens mit der Baubewilligung zu prüfen. Vielmehr dient diese Vorlagepflicht lediglich der Erlangung von vollständigen Gebäudedatensätzen (so auch schon die Erläuterungen zur Novelle LGBl 45/2022, siehe AB EZ 165/12 StLT 18. GP 24). Wird dieser Pflicht nicht Folge geleistet, stellt dies nach dem neu gefassten § 38 Abs 7 Z 2 Stmk BauG keinen Grund für eine Benützungsuntersagung dar (AB EZ 3198/4 StLT 18. GP 7).

Eine weitere Unsicherheit ergab sich in der Praxis der Baubehörde für jene Fälle, in denen die Baubewilligung nach der Rechtslage vor der Novelle LGBl 45/2022 – dh vor der Einführung der Nachweispflicht/Vorlagepflicht gem §§ 22 Abs 2 Z 3a bzw 38 Abs 2 Z 6 Stmk BauG – erteilt wurde, die Fertigstellungsanzeige bzw Benützungsbewilligung aber nach Inkrafttreten dieser Novelle erstattet/beantragt wurde. Es stellte sich die Frage, ob die Baubehörde die Vorlage des Vermessungsplans gem (damals noch) § 38 Abs 2 Z 6 Stmk BauG fordern musste oder nicht.

Auch diese Auslegungsschwierigkeit hat der Gesetzgeber mit der gegenständlichen Novelle entschärft. Die Übergangsbestimmung des § 119v Stmk BauG hält dazu fest, dass im Falle von Baubewilligungen, die vor der Novelle LGBl 45/2022 – dh vor dem 29.06.2022 (§ 120a Abs 27 Z 2 Stmk BauG) – erteilt wurden, § 38 Abs 2a Stmk BauG keine Anwendung findet und daher in diesen Fällen nach Fertigstellung von Neubauten und Zubauten kein Vermessungsplan bzw keine Vermessungsdaten vorzulegen sind.

4. Conclusio

Zwar fiel die Novelle jüngste des Stmk BauG, LGBl 73/2023, deutlich schlanker aus als die Novellen aus den Jahren 2020 und 2022, dennoch nahm der Gesetzgeber auch diesmal nicht unwesentliche Änderungen vor. Teils handelt es sich dabei um Klarstellungen, um den Vollzug von bereits früher eingeführten Bestimmungen, wie der Nachweispflicht gem§ 22 Abs 2 Z 3a stmk BauG bzw der Vorlagepflicht gem § 38 Abs 2a Stmk BauG zu erleichtern. Teils handelt es sich um – aus unserer Sicht begrüßenswerte – neue Regelungen, wie zb die Berücksichtigung von Toleranzen nach der Vermessungsverordnung für die Beurteilung der Einhaltung des Grenzabstandes. Gerade für Altbestände wird diese Erleichterung  in Feststellungsverfahren gem § 40 Abs 3 Stmk BauG einige der bisher anzutreffenden Härtefälle abfedern. Wie meist nach den Novellen des Stmk BauG werden sich trotz der Bemühungen des Gesetzgebers um klare Regelungen in der Praxis Auslegungsschwierigkeiten ergeben, die möglicherweise Eingang in die nächste Novelle des Stmk BauG finden.

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