Schadenersatz wegen Verschuldens
Grundsätzlich hat jeder seinen Schaden gem § 1311 ABGB selbst zu tragen (Prinzip „casum sentit dominus“); verliert jemand seinen eigenen Hausschlüssel, sind die Kosten der Neuanschaffung bzw des Austausches eines Türschlosses vom „Geschädigten“ selbst zu tragen.
Dieser allgemeine Grundsatz wird jedoch bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen durchbrochen, wodurch es zu einer Schadensverlagerung auf den Schädiger kommt, welcher dem Geschädigten den Schaden zu ersetzen hat. Diese Schadensverlagerung setzt im Bereich der schadenersatzrechtlichen Verschuldenshaftung folgende Parameter voraus:
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- Das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens;
- Die Kausalität der Handlung/Unterlassung des Schädigers für den Schaden;
- Die Rechtswidrigkeit der Handlung/Unterlassung des Schädigers;
- Das Verschulden des Schädigers.
Vereinzelt gibt es auch schadenersatzrechtliche Sondergesetze, wie beispielsweise das EKHG, welche kein Verschulden für einen Schadenersatzanspruch voraussetzen. Im gegenständlichen Artikel liegt die Konzentration jedoch auf der Verschuldenshaftung.
Eintritt eines ersatzfähigen Schadens:
Die Verschuldenshaftung setzt zunächst den Eintritt eines Schadens im Sinne des § 1293 ABGB voraus.
Der Begriff des Schadens ist sehr weit und umfasst jeden Nachteil an Vermögen (zB Beschädigung einer Sache) oder an der Person (zB Körperverletzung), wobei zwischen einem materiellen Schaden sowie einem immateriellen (ideellen) Schaden unterschieden wird.
Ist der Schaden nicht in Geld messbar, liegt ein immaterieller bzw ideeller Schaden vor, dessen Ersatzfähigkeit auf einzelne Ausnahmen beschränkt ist.
Schäden an Personen (zB durch Körperverletzungen oder Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten) sowie das damit einhergehende Schmerzengeld zählen etwa zu den immateriellen (ideellen) Schäden.
Ein materieller Schaden kann – entgegen dem immateriellen Schaden – in Geld gemessen werden. Etwa die Kosten der konkreten Reparatur eines Kraftfahrzeuges.
Kausalität der schädigenden Handlung/Unterlassung:
Als zweite Voraussetzung für einen möglichen Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens ist die Kausalität der schädigenden Handlung/Unterlassung für den eingetretenen Schaden erforderlich.
Nach der „conditio sine qua non“- Formel, ist ein Verhalten für einen Schaden dann kausal, wenn der Schaden ohne das konkrete Verhalten des Schädigers überhaupt nicht eingetreten wäre.
Nach der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung ist jedoch darauf zu achten, dass die Haftung nicht ausufert, weswegen der sogenannte Adäquanzzusammenhang relevant ist. Das Erfordernis der Adäquanz soll bei Vorliegen ganz atypischer Kausalverläufe bzw bei einer „außergewöhnlichen Verkettung von Umständen“ eine Schadenszurechnung – trotz grundsätzlicher Kausalität des schädigenden Handlung – ausschließen. Die Adäquanz (und dadurch auch die Kausalität) wurde in der Rechtsprechung im damaligen Einzelfall etwa bei der Beschädigung eines Lichtmastes und daran anschließendem Brand durch Kurzschluss im Elektrizitätswerk verneint (OGH 8 Ob 10/85).
Rechtswidrigkeit der Handlung/Unterlassung:
Neben dem Vorliegen eines Schadens und der zugehörigen Kausalität der zum Schaden führenden Handlung, wird für die Haftung des Schädigers zudem die Rechtswidrigkeit der Handlung/Unterlassung vorausgesetzt.
Eine Handlung/Unterlassung gilt dann als rechtswidrig, wenn der Schädiger gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstößt.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Schädiger für jegliches gegen ein Verbot bzw ein Gebot verstoßendes Verhalten haftet. Voraussetzung für die Ersatzpflicht ist vielmehr, dass der Verstoß gegen die Verhaltensanordnung genau jene Gefahr verwirklicht hat, die durch das Verbot bzw Gebot verhindert werden sollte; dies ist beispielsweise der Fall, wenn man in einer unübersichtlichen Kurve die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht eingehalten wird, wodurch ein Unfall verursacht wird, da das Tempolimit eben genau die Herbeiführung eines derartigen Unfalls verhindern soll. Es wird sohin auf den Schutzzweck der Norm abgestellt.
Als Verbote und Gebote kommen sowohl vertragliche als auch deliktische Pflichten oder die guten Sitten in Frage. Für vertragliche Pflichten ist auf den zugrundeliegenden Vertrag abzustellen.
Im Bereich der deliktischen Pflichten ergibt sich die Rechtswidrigkeit aus Verstößen gegen Schutzgesetze (zB das in der StVO festgelegte Verbot, der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges bei einem Alkoholgehalt von 0,5 Promille), Verletzungen absolut geschützter Rechtsgüter (zB Persönlichkeitsrechte nach § 16 ABGB), Verkehrssicherungspflichten (zB Wegehalterhaftung) oder vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigungen (zB wenn vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden verursacht wird).
Es ist jedoch darauf zu achten, dass bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes die Haftung entfallen kann; dies bedeutet, dass an sich rechtswidriges Handeln somit rechtmäßig werden kann. Zu den Rechtfertigungsgründen zählen unter anderem Notwehr (§ 3 StGB), Selbsthilfe (§§ 19, 344 ABGB) und Notstand (§ 1306a ABGB).
Verschulden des Schädigers:
Als vierte und sohin letzte Voraussetzung setzt ein Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens gemäß §§ 1293 ff ABGB ein Verschulden des Schädigers – also die subjektive Vorwerfbarkeit der schädigenden Handlung – voraus.
Der Schädiger verwirklicht ein rechtswidriges Verhalten, welches er vermeiden hätte sollen, aber in einem weiteren Schritt subjektiv auch vermeiden hätte können. Die Nichteinhaltung der Normen muss dem Schädiger daher subjektiv zum Vorwurf gemacht werden können (wozu in der Regel die Vollendung des 14. Lebensjahres erforderlich ist).
Auf Ebene der subjektiven Verschuldensformen wird zwischen Vorsatz und (leichter bzw grober) Fahrlässigkeit differenziert.
Während leicht fahrlässiges Verhalten auch bei einem grundlegend sorgfältigen Menschen vorkommen kann, bedarf es für grob fahrlässiges Verhalten einer auffallende Sorgfaltslosigkeit, die einem sorgfältigen Menschen keineswegs unterlaufen würde.
Das eventuelle Mitverschulden eines Geschädigten berührt das Verschulden des Schädigers nur indirekt. Durch das schuldhafte Handeln des Schädigers besteht eine Ersatzpflicht an sich, während durch das Mitverschulden des Geschädigten lediglich der Ersatzanspruch gem § 1304 ABGB gekürzt und der Schaden somit verhältnismäßig getragen wird.
Conclusio
Die schadenersatzrechtliche Verschuldenshaftung regelt die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadenersatz. Zunächst muss ein Schaden vorliegen, der sich sowohl auf materielle als auch immaterielle Schäden erstrecken kann. Zudem ist die Kausalität zwischen der schädigenden Handlung/Unterlassung sowie dem eingetretenen Schaden notwendig. Das schädigende Verhalten muss weiters gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstoßen, wobei der Schadenersatz auf den Schutzzweck der jeweiligen Norm abgestimmt ist. Schließlich muss auch das Verschulden des Schädigers nachgewiesen werden, wobei zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden wird. Insgesamt stellt das Schadenersatzrecht eine komplexe rechtliche Grundlage dar, die darauf abzielt, den Geschädigten angemessenen Ausgleich zu bieten, wenn die obgenannten Voraussetzungen erfüllt sind.